Um unsere begrenzte Sexualität in eine grenzenlos wonnevolle zu verwandeln, die unseren ganzen Körper umfasst und uns in kosmische Dimensionen führen kann, sollten wir uns unseren sexuellen Reaktionen anders als gewohnt annähern.
Was die Lust betrifft, wollen wir in Expansion zu etwas Unbegrenztem hin eine sphärische Lust entdecken.

Das geschieht durch alles, was nur indirekt mit Sexualität zu tun hat d.h. den Kontakt aller Sinne mit gleich welchem Objekt. Denn die tantrische Idee ist es, die Sexualität zu einer Totalität der sinnlichen Erfahrung zu erweitern.

Wenn wir den Rücken, die Füße oder die Hände massieren, kann das eine intensive sexuelle Reaktion hervorrufen. Den ganzen Körper des anderen zu berühren, lässt uns schließlich erfahren, dass ein Fuß genauso empfänglich sein kann, wie die Geschlechtsorgane.

Das wird dann eine Erfahrung, die die meisten Menschen noch nicht kennen. Aber am Anfang enthüllt uns die Massage nur unsere Masken, unsere Erwartungen, unsere festgefahrenen Gewohnheiten, unsere Frustrationen und all unsere Projektionen.

Wenn Paare die Kaschmir-Massage-Seminare besuchen, kommt manchmal ein Moment, wo sie nicht mehr Liebe machen können, weil sie bemerken, dass sie es bisher zu mechanisch gemacht haben. Dann zeigt sich eine körperliche Unfähigkeit, sich wie vorher zu berühren und zu vereinigen. Es kann einige Zeit dauern und beängstigend sein, weil sich jeder sagt, dass er doch ins Seminar gekommen ist, um sich zu öffnen und das Resultat darin besteht, dass er noch verschlossener als vorher ist. Das bringt also wirklich das System, das wir uns so sorgfältig aufgebaut haben, zum Explodieren.

Es ist sehr gut zu realisieren, dass das Nichts – Wollen die Basis für die Kaschmir-Massage und die tantrische Erotik ist. Sonst bleibt man auf eine bestimmte Verhaltensweise festgelegt, die sich niemals ändern wird.
Natürlich lässt einen das ausflippen, denn die männliche und die weibliche Rolle werden völlig in Frage gestellt. Aber das ist ganz normal, denn meistens ist Liebe machen eine zugestandene Aggression, auch wenn sie gegenseitig ist und guttut.

Etwas anderes zu entdecken, ist zutiefst verwirrend, denn der Körper verlässt ein Gebiet, in dem er sich sicher gefühlt hat. Eine plötzliche Panik stellt sich ein, denn der Körper weiß, dass er dabei ist, loszulassen, aber dass er als Ersatz für den Sicherheit gebenden Komfort vielleicht nichts finden wird.
Allen Widerständen zum Trotz, sollten wir eine äußerst feine und komplexe Erforschung beginnen, denn sie ist der Motor, der uns immer weiter in kosmische Dimensionen hebt.

Alles selbst auszuprobieren, seine eigenen Erfahrungen machen, und sich nicht auf Konzepte festlegen ist angesagt. Nur dann verändert sich wirklich etwas in unserem Bewusstsein. Wenn wir nicht so vorgehen, erzeugen wir auf alle Fälle neue Blockaden.

Es ist sehr schwierig, den ganzen Körper zu massieren, ohne ihn in verschiedene Zonen aufzuteilen, denn Projektionen und mentale Bilder tauchen unweigerlich auf. Erst wenn die Massage wunderbar holistisch wird, ist es möglich, im selben Zustand zu bleiben, egal, ob wir nun eine Schulter massieren oder die Genitalien.
Das ist außergewöhnlich! Das ist die große Idee des Kaschmirischen Tantrismus.

Wir können das verstehen, wenn wir sehen, wie die Frauen in Kaschmir ihre Kinder massieren, denn die Kaschmir-Massage ist aus der Indischen Baby-Massage entstanden. Der berühmte französische Gynäkologe hat ein Buch darüber geschrieben.  Das könnte einem westlichen Menschen skandalös erscheinen. In Amerika würde eine Frau dafür vielleicht sogar ins Gefängnis gesperrt, denn sie massieren ihre Babys wirklich überall. Sie massieren sein Geschlecht, seinen Mund, seine Nasenlöcher und seine Ohren. Sie ziehen seine Gliedmaßen in alle Richtungen. Darum hat ein so berührtes Kind die Empfindung, einen ganzen Körper zu haben.
Es hat nicht den Eindruck, dass es reine und unreine Zonen gibt. Es hat nicht all diese Konditionierungen, die sich seit mehr als 2000 Jahren in unseren Genen festgesetzt haben.
Es ist völlig normal, dass wir uns so viele Fragen stellen, denn einen Körper auf diese Art zu berühren, ist für uns anfangs sehr ungewöhnlich.

Darum werden wir Jahre der Praxis benötigen und zahlreiche Gnadenmomente. Auf jeden Fall löst eine solche Berührung, auch wenn es sich um eine innere Revolution handelt, ein wirkliches Verstehen der Ganzheit aus.

Darum macht man auch die Massagen, um von der Idee abzulassen, dass Körper-an-Körper unausweichlich zu einem sexuellen Akt und einem Orgasmus führen muß. Wir sollten uns von der Idee freimachen, dass es bei einem körperlichen Kontakt gezwungenermaßen auch ein Ziel gibt. Es bedarf einer langen Lehrzeit, um im Moment zu sein, ohne automatisch davon profitieren zu wollen.

Wenn man die Genitalorgane so massieren würde, wie einen Fuß oder ein Ohr, würde man sofort verstehen, was die Bedeutung eines MYSTISCHEN Körpers ist. Aber wenn man sich auf den Orgasmus fixiert, klappt es absolut nicht, denn man assoziiert Spannung und Vergnügen. Dieser Reflex ist so stark, dass sich der Körper anspannt, sobald die kleinste sexuelle Regung aufkommt.

Wenn man aber versteht, dass die allgemeine Lust auch die sexuelle Lust umfasst, bemerkt man, dass kein Unterschied besteht, dass alles eins ist. Es gelingt uns dann, uns von den herkömmlichen Ideen über die Sexualität zu befreien, um in etwas einzutauchen, das nicht mehr aufhört und grenzenlos ist. Das ist die Sexualität im Tantrismus: sich zu sagen, dass Liebe machen wunderbar ist, also warum nicht Tag und Nacht in diesem Zustand sein?

Es dreht sich nicht darum, sexuell leistungsfähig zu sein, sondern jederzeit in einem liebenden Zustand zu sein. Zu verstehen, dass man in diesem Zustand sein kann, selbst wenn man allein lebt. Es ist eines der außergewöhnlichsten Dinge, die man erleben kann, denn dann ist man wirklich von niemandem abhängig. Jeden Morgen, beim Erwachen, ist die Öffnung vollkommen. So, als habe man die ganze Nacht Liebe gemacht.

Anfangs beginnt man sich darüber bewusst zu werden, was im Moment, wo das Feuer der Lust aufflammt, im Moment wo im Allgemeinen alles zum Stillstand kommt, im Körper passiert.
Die Technik, so es denn eine Technik ist, besteht darin, in eine tiefer und tiefer werdende Entspannung zu gehen, anstatt in eine immer mehr und mehr intensivere Spannung, die in einem Orgasmus mündet. Wir sollten lernen, die Muskulatur, die Atmung, die Konzepte, die vorgefassten Meinungen, die Gefühle loszulassen. Erst dann beginnt man den Tantrismus zu verstehen.

Es ist selten, dass sich während unseres Lebens die Möglichkeit bietet, einen Bereich in aller Freiheit erforschen zu können, der so umfangreich ist, wie der Körper. Darum sind die Massagen eine unerhörte Chance, diese Freiheit zu nutzen, statt in dem zu verbleiben, was wir kennen oder sich ein kleines Vergnügen mehr zu machen, wie es unsere Gewohnheit ist. Nutzen wir also diese Freiheit, um dieses unermessliche Gebiet zu erforschen, das da ist, außergewöhnlich und für uns erreichbar. So ist die Arbeit mit dem Körper wirklich enorm spannend.

Tatsächlich sind es nicht mehr als einige Schauer zusätzlich, die unser Leben grundlegend ändern werden. Das ist es, was so komplex und verwirrend im Tantrismus ist, und 90 % der westlichen Menschen verstehen es nicht. Sie gehen an der tiefen Idee des Tantrismus vorbei, um nur einen oberflächlichen Aspekt in Betracht zu ziehen. Sie glauben, dass der tantrische Weg einfach und angenehm sei. Aber das ist ein entscheidender Irrtum, denn der Körper ist eine Welt, so weit, so tief, so fein, dass er eine vollständige Aufgabe der Konzepte verlangt.

Es ist der schwierigste Weg, den es gibt. Und nicht jeder ist ein Kandidat für diese totale Explosion.