Das Wort TANTRA ist verschieden gedeutet worden. Die Silbe TAN bedeutet im Sanskrit soviel wie TOTALITÄT, GANZHEIT, TRA bezeichnet dann die MITTEL, wie man dahin gelangt.
TANTRA wird aber auch mit VERWEBUNG, VEREINIGUNG übersetzt.

Der Einfluss des Tantrismus erreichte in Indien im elften und zwölften Jahrhundert seinen Höhepunkt. Während ganz Europa im tiefsten Mittelalter auf das wahre Leben nach dem Tod wartete, feierten die Tantrika in Indien die Freuden dieser Welt
Danach wurde Tantra in Nepal, Tibet und China eingeführt.

Einer der ältesten und schönsten tantrischen Texte ist das Vijnanabhairava Tantra. Es enthält die 112 Ratschläge, die Shiva seiner Shakti gibt, um die Erleuchtung zu erlangen.

Das Tantra insgesamt ist eine universelle Initiationslehre, die in jede mystische Tradition Asiens eingedrungen ist: in die hinduistische, buddhistische, lamaistische, tibetische, chinesische, japanische und sogar in die mystische Tradition Griechenlands (deshalb lebe ich hier, weil Griechenland das einzige Land Europas ist, in das sich in der Antike der Tantrismus ausgedehnt hat 😉). Sie weist sogar Ähnlichkeit mit der jüdischen Kabbala auf.

Das menschliche Wesen ist, tantrischer Tradition zu folge, ein Mikrokosmos im Makrokosmos. Alles, was es im Kosmos gibt, wiederholt sich in jedem Individuum, das von den gleichen Prinzipien und Gesetzen bestimmt wird, die auch das All regieren. Wir sind also ” Ebenbilder Gottes” und die Energie Gottes befindet sich in uns und allen Dingen. Das zunehmende Erwachen des Bewusstseins ist nichts anderes als die Selbsterkenntnis unserer Göttlichkeit. “Der Geist, der in uns ist und der Geist, der in der Sonne ist, ist der gleiche” lehren die alten Weisheitsschriften. Wir sind also ALL-EINS, das heißt, wir sind eins mit dem Kosmos und unterliegen der gleichen göttlichen Intelligenz wie er.

Diese Einheit wird im Tantrismus mit der Vereinigung des Geistes, also des reinen Bewusstseins, mit dem Leben, also der schöpferischen Urenergie, symbolisiert. Es ist zugleich die Vereinigung Shivas, des männlichen Prinzips, symbolisiert durch das Lingam, mit der Vereinigung Shaktis, dem weiblichen Prinzip, symbolisiert durch die Yoni.
Ursprünglich war Paramashiva eine androgyne Gottheit, dargestellt als Frau und Mann zugleich – die noch unverkörperte Urenergie vereinigt mit dem absoluten Bewusstsein, dem kosmischen Geist.
Um aber mit sich selbst Zwiesprache halten zu können, differenzierte er sich in Shiva (kosmischer Geist) und Shakti (schöpferische Energie des Lebens).

Die Vereinigung von Shiva und Shakti erschafft den Kosmos. Dann verteilt sich das inkarnierte Bewusstsein in Materie, was zur Verschiedenheit der Einheit und zur Trennung führt. Diese inkarnierte Schöpfung sucht sich wieder zu vereinigen in der sich ewig erneuernden Erfahrung des Spiels ihrer sich zugleich abstossenden (-) und anziehenden (+) Polarität.
Tantra ist der Königsweg ihrer Wiedervereinigung.